Inwiefern Patienten mit Prostatakarzinom von einer radikalen Ektomie / operative Entfernung der Prostata profitieren können, untersuchten schwedische Wissenschaftler in der SPCG-4-Studie (Scandinavian Prostate Cancer Group Study Number 4), deren Auswertung im New England Journal of Medicine 2018 erschienen ist.
Bemerkenswert ist die lange Phase der Beobachtung von 29 Jahren. Aufgrund dieses Zeitraums lasse sich eindeutig nachweisen, dass die operative Entfernung der Prostata für betroffene Patienten einen klaren Überlebensvorteil bietet. Das Team von Prof. Dr. Anna Bill-Axelson von der Universität Uppsala in Schweden nahm zwischen 1989 und 1999 695 Männer mit einem lokal begrenzten Prostatakarzinom in die Studie auf. 14 Zentren in der Schweiz, Schweden, Finnland und Island waren an der Datensammlung bis Ende 2017 beteiligt. Ein Teil der Patienten kam auf die Watchful Waiting Liste, der andere Teil unterzog sich der radikalen Prostatektomie. Alle Studienteilnehmer waren jünger als 75 Jahre, hatten eine Lebenserwartung von mehr als 10 Jahren, keine weitere Tumorerkrankung sowie und einen PSA-Spiegel unter 50 ng/ml.
Während dieser Zeit starben insgesamt 261 der 347 operierten Männer und 292 der 348 Männer in der Watchful-Waiting-Gruppe. Bei 71 Todesfällen in der Prostatektomie-Gruppe und 110 in der Watchful-Waiting-Gruppe war das Prostatakarzinom die alleinige Ursache des Ablebens.
Das Ergebnis der Studie belegte, dass eine frühzeitige radikale Prostatektomie lebensrettend sein kann. Die durchschnittliche Lebenserwartung verlängerte sich aufgrund des operativen Eingriffes um 2 Jahre und 9 Monate. Am günstigsten war die Prognose bei Patienten, die vor dem 65. Lebensjahr die Diagnose bekamen. Für ältere Männer ist der Nutzen der Prostatektomie geringer. Hier sollte der richtige Weg zwischen dem Nutzen dieser Operation sowie den möglicherweise zu erwartenden Schäden gefunden werden. Dabei spielen das Alter, zusätzliche Erkrankungen und die Aggressivität des Tumors eine entscheidende Rolle. Die Auswertung weise auch auf Risikofaktoren hin. So war die extrakapsuläre Ausbreitung des Tumors mit einem 5-fach höheren Risiko für einen frühzeitigen Tod verbunden.
Daher sei es vor einer Entscheidung für eine aktive Überwachung oder Watchful Waiting bei Patienten mit geringem Risiko ratsam, eine multiparametrische MRT durchzuführen, um ein okkultes Prostatakarzinom oder ein Karzinom des Grades 4 (WHO) oder höher aufzuspüren. Hintergrund ist, dass diese Patienten ein erhöhtes Risiko für einen frühzeitigen Tod haben, wenn sie ansonsten gesund sind und nicht behandelt werden.
In der SPCG-4 Studie wurden die Patienten nicht beobachtet, sondern dem Watchful Waiting zugewiesen. Anders als bei der aktiven Überwachung wird der Krebs hierbei nicht regelmäßig anhand von PSA-Werten kontrolliert, sondern das Voranschreiten der Tumorgröße langfristig untersucht. Der Stellenwert der strahlentherapeutischen Intervention, in vielen Situationen als gleichwertige Therapieoption anerkannt, wurde in der Studie nicht betrachtet.
Fazit:
Die Studie zeigt auf, dass eine operative Entfernung der Prostata beim Prostatakarzinom das Überleben verbessern kann. Dies trifft insbesondere für Patienten unter dem 65. Lebensjahr sowie mit aggressiverer Tumorbiologie (Grading) zu. Der Stellenwert der Strahlentherapie wurde in der Studie nicht untersucht. Eine Festlegung der Therapieoptionen sollte interdisziplinär, im idealen Fall im Rahmen eines Tumorboards, getroffen werden.